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Daten und Fakten

Reisedauer:  26 Tage, 3. November 2019 – 29. November 2019

Reiseroute: Ardabil  Tabriz  Isfahan  Schiras  Abarkuh  Yazd  Isfahan  Rascht  Teheran

Highlights: Unglaubliche Gastfreundschaft mit viel Taarof und unfreiwilliger, digitaler Detox

Ardabil

Während ich diese Zeilen schreibe, liege ich leicht bekleidet an irgendeinem Strand in Goa. Es ist heiß und ich genieße ein eiskaltes Bier. Vor einigen Wochen im Iran war all das undenkbar. Im Iran gilt eine gesetzlich vorgeschriebene Kleiderordnung, an die sich auch ausländische Frauen halten müssen. Das bedeutete, Arme und Beine müssen bis zu den Knöcheln bedeckt sein, ein langes Oberteil muss zusätzlich den Po bedecken, und ein Kopftuch ist ebenfalls Pflicht. Viele Iranerinnen, insbesondere in Teheran und Schiras, versuchen die Kleidervorschrift so minimal wie möglich umzusetzen. Das Kopftuch wird dabei so weit am zum Hinterkopf getragen, dass es beinah hinten über fällt und nur minimal die Haare und den Nacken bedeckt. Leicht bekleidet auf iranische Art. Die ungewohnte Kopfbedeckung hatte aber auch einen Vorteil: Kopf und Ohren blieben warm. Bei unserem ersten Stopp in Ardabil kühlte es nachts auf wenige Grad über null runter. Mehr Kleidung war also gar nicht so schlecht. Alkohol ist in der islamischen Republik natürlich auch streng verboten und so gab es von nun an Chai statt Bier.

Unsere erste Amtshandlung auf iranischem Boden war der Gang zum Geldwechsler. Seit den Wirtschaftssanktionen ist der internationale Geldtransfer zum erliegen gekommen. Für Ausländer bedeutet das, dass sie am Geldautomaten kein Geld erhalten können und natürlich auch nicht mit Karte bezahlen können. Meine Schwester hatte uns daher, als sie uns in Tiflis besucht hatte, ausreichend Euros mitgebracht, die wir nun immer bei uns trugen und bei Bedarf in die lokale Währung umtauschten. Das Prozedere kannten wir noch gut, denn vor 10 Jahren hatten wir in Myanmar dasselbe Problem. Damals waren wir beim Geldwechseln auf der Straße ziemlich übers Ohr gehauen worden (lange Geschichte), so dass wir mittlerweile vorsichtig geworden sind. Doch in der Bank zum öffentlichen Kurs tauschen, kann man oder will man im Iran leider auch nicht, denn dort bekommt man nur den offiziellen Wechselkurs, der bei einem Drittel des Schwarzmarktkurses liegt. Der offizielle Wechselkurs liegt derzeit bei ungefähr 45.000 pro Euro, der Schwarzmarkkurs bei um die 120.000. Zum Glück gibt es aber auch im Iran offizielle Geldwechselstuben, die halb-offiziell zum Schwarzmarktkurs tauschen. Man muss aber natürlich trotzdem immer aufpassen, besonders wenn man mit der neuen Währung nicht vertraut ist. Und das war am Anfang ziemlich verwirrend für uns. Es gibt nämlich nicht nur den offiziellen Kurs und den Schwarzmarktkurs, sondern es gibt auch noch zwei unterschiedliche „Währungen“ innerhalb der Währung. Die Währung im Iran sind iranische Rials. Fragt man aber in einem Shop, wie viel ein Produkt kostet, wird der Händler den Preis in Toman angeben. Ein Toman sind umgerechnet 10 Rials. Da die Währung so schwach ist, wird darüber hinaus auch gerne „abgekürzt“. Sagt der Händler ein Toman, meint er eigentlich 1.000 Toman. Gezahlt wird natürlich immer alles in Rials, weil es Toman eigentlich nicht gibt, bzw. nicht mehr gibt. Mit der Goldmünze Toman wird schon lange nicht mehr bezahlt. Hier ein Beispiel zur Verdeutlichung: du gehst in einen Shop und möchtest eine Flasche Wasser kaufen. Auf deine Frage nach dem Preis, sagt dir der Verkäufer „ 3 Toman, bitte“. Quizfrage: Wie viel Euro kostet die Flasche Wasser? Der Verkäufer sagt zwar 3 Toman, meint aber 3.000 Toman. 3.000 Toman sind 30.000 Rials. Hast du deine Euros zum Schwarzmarktkurs getauscht, kostet dich die Flasche also 25 Cent. Ist also alles gar nicht so schwer. Man braucht aber eine Weile um rein zu kommen und zu wissen, wann welche Preise in Toman oder Rials angegeben sind. In den ersten Tagen hatten wir dazu Sorge, dass unsere Unsicherheit im Umgang mit der Währung ausgenutzt würde und wir überall zu viel zahlen würden. Die Sorge war mehr als unbegründet und wir lernten schnell, dass die größte „Gefahr“ im Iran ist, zu wenig zu bezahlen. Denn alle sozialen Interaktionen, auch im täglichen Geschäftsleben, sind von Taarof geprägt. Taarof eine spezielle Art des höflichen Umgangs, den alle Iraner perfekt beherrschen, für nicht-Iraner aber verwirrend ist. Bleiben wir einmal bei dem Wassereinkauf von oben. Du willst also die Wasserflasche für 3 Toman kaufen und reichst dem Verkäufer 30.000 Rials. Ein höflicher Verkäufer wird Taarof gemäß dein Geld nicht annehmen und dir sagen, dass du nicht bezahlen musst. Als anständiger Kunde ist es nun deine Aufgabe, darauf zu bestehen zu bezahlen auch wenn der Verkäufer, vehement widerspricht. In der Regel sollte nach 3 maligem hin und her der Kauf abgewickelt sein. Dasselbe gilt übrigens auch für Einladungen zu Essen oder Tee. Viele aber nicht jede Einladung ist unbedingt ernst gemeint. Erst nachdem man 3-mal die Einladung ausgeschlagen hat, kann man sicher sein, dass die Einladung auch ernst gemeint war. Um die Höflichkeitsfloskeln abzukürzen oder um sich sicher zu sein, dass man die Situation richtig einschätzt, kann man auch lachend sagen „ No Taarof please!“ und dein Gegenüber wird sich kaputt lachen und sich freuen, dass du dich schon so gut auskennst in den lokalen Gepflogenheiten.

Zur Eingewöhnung war das kleine Städtchen Ardabil perfekt. Wir hatten ein nettes Hotel mit einem hervorragenden Frühstücksbuffet und lernten so schon am ersten Morgen einige der lokalen Spezialitäten kennen. Kulinarisch ist Ardabil bekannt für schwarzes Halva, ein karamellisiertes Sesammuss, das mit Honig anstatt Zucker gesüßt wird und an jeder Ecke in Ardabil zu kaufen gibt. Der Honig ist ebenfalls bekannt und wird mit der Bienenwabe verkauft, die dann auch mitgegessen wird… mhh… mit dem iranischen extrarahmigen Joghurt.. lecker.

Ardabil hat aber natürlich nicht nur kulinarisch sondern auch architektonisch einiges zu bieten. Vor allem für uns Neuankömmlinge im Iran war der Grabheiligtum des Safi al-Din mit all seinen Verzierungen und den schönen Kuppeln super beeindruckend.

Wir waren aber auch generell von allem überrascht und überwältigt. Immer und überall wurden wir auf der Straße freundlich angesprochen, willkommen im Iran geheißen, es wurde gegrüßt und gewunken egal wann und wo wir hingingen. An unserem ersten Tag war viel los auf den Straßen, denn es fand eine große Demo gegen die USA statt. Generell halten wir uns von Demos aus Sicherheitsgründen immer fern, aber in der gesamten Stadt war gute Stimmung. Eine Gruppe männlicher Schüler hatte anscheinend für die Demo schulfrei bekommen und auf dem Weg zur Demo umringten sie Tobi, um mit ihm Englisch zu üben und mehr über den großen, blonden Mann mit dem Bart zu erfahren. Zum Abschied gaben sie ihm eine kleine Iran Flagge als Geschenk mit auf den Weg. Falls er beim nächsten Mal mitdemonstrieren will 😉 Ich wurde in dieser Zeit übrigens nicht angesprochen, noch nicht einmal angeschaut. So strickt ist die Trennung zwischen Männern und Frauen in vielen Gegenden im Iran. In den allermeisten Fällen würden Frauen nur mit mir und Männer nur mit Tobi sprechen. Zumindest in konservativen Orten in der Öffentlichkeit. Das zusammen mit dem Kopftuch auf den Haaren, fühlte sich bis zum Schluss sehr merkwürdig an.

Tabriz

Der Mix aus internationalen Wirtschaftssanktionen und Zensur durch die iranische Regierung führt dazu, dass internationale Unternehmen im Iran schwer handeln können und viele Webseiten, die wir täglich nutzen ohne VPN nicht zu erreichen sind. Bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft mussten wir daher auf Booking und AirBnB mussten wir also in den kommenden Wochen verzichten. Theoretisch hätten wir aber auch den ganzen Iran bereisen können, ohne auch nur eine Nacht im Hostel zu übernachten. Denn die iranische Gastfreundschaf ist einfach grenzenlos und zeigt sich auch beim Couchsurfing. Von unseren ultra-low-budget Reisebekanntschaft Ramona und Jens hatten wir den Tipp bekommen, unsere Reiseroute im Iran auf Couchsurfing öffentlich zu machen. Kaum hatten wir das getan, trudelten die ersten Einladungen ein. Während man in anderen Ländern meist viele Menschen anschreiben muss, und nur von einem Bruchteil eine Antwort, geschweige denn eine Einladung bekommt, wurden wir im Iran von Einladungen nur so zugespamt. Einer davon war Milad aus Tabriz, der uns eine super nette Nachricht geschrieben hatte und schon viele dutzende Reisende gehostet hatte. Also fuhren wir hin und waren gespannt auf unser erstes Couchsurfing-Erlebnis im Iran. Als wir im Vorort von Tabriz ankamen, wurden wir herzlich von ihm und seinen Eltern begrüßt. Zu unserer Überraschung, bewohnten wir die komplette erste Etage alleine. Auf dem riesigen Teppich lag auch schon Bettzeug bereit. Denn in vielen Haushalten, in den meisten zumindest, die wir gesehen haben, ist der Teppich der Mittelpunkt des Hauses. Auf dem Teppich wird gesessen, Tee getrunken, gegessen, und geschlafen. Viele Familien haben neben dem Perserteppich keine anderen Möbel, wozu auch? Obwohl Perserteppich insbesondere in Tabriz eigentlich der falsche Begriff ist. Milad erklärte uns zumindest, das man nicht „Perserteppich“ sagen könnten, denn das Handwerk wäre fest in türkischstämmiger Hand, man müsste also viel eher „türkischer Teppich“ sagen. Denn Tabriz liegt in der Region Aserbaischan im Iran und diese Region ist im Iran, aber auch weltweit bekannt für das Teppichhandwerk. Milads Onkel ist auch im Teppichbusiness. Er hat aber ein ganz besonderes Geschäftsmodell. Und zwar kann bei Milads Onkel ein eigenes Teppichknüpf-Set bestellen. Entweder nimmt man eines der vorhandenen Motive oder man kann auch selbst ein Bild einschicken. In Tabriz wird dann ein Paket zusammengestellt, mit einem Rahmen fürs Teppichknüpfen und ausreichend Wolle für den gesamten Teppich in den passenden Farben und mit Hilfe einer mitgelieferten DVD, kann man dann zu Hause seinen eigenen Teppich knüpfen. Geniale Businessidee und ich überlege wirklich, ob nicht Teppichknüpfen eins meiner neuen Hobbies wird zu Hause.

Milad hatte sich für uns am ersten Tag ein straffes Sightseeing-Programm überlegt. Für kleines Geld fuhr uns ein bekannter der Familie zunächst zum Urmiasee. Der See ist von Versalzung und Austrocknung bedroht. An vielen Stellen liegt der See trocken und es sieht teilweise aus wie in Uyuni in Bolivien.

Nach dem Zwischenstopp am See fuhren wir weiter in die Felsenstadt Kandovan, die mit ihren Bewohnten Höhlenformationen an Kappadokien in der Türkei erinnert.

Auf dem Weg zurück nach Tabriz machten wir noch einen Stopp für eine spätes und köstliches Mittagessen. Es gab Abguscht, eine Schmorfleischsuppe, die auch Dizi oder „zwei-mal-glücklich“ genannt wird. Der Name ist durchaus passend, denn man ist Abguscht in zwei Schritten und beide machen sehr glücklich und voll. Zunächst wird iranisches Fladenbrot in kleine Teile in eine Schüssel gezupft. Danach wird nur die Flüssigkeit des Eintopfes darüber gegossen und als Suppe gelöffelt. Danach wird der Rest, also Fleisch (Lamm oder Rind) mit einem guten Stück Fett, Kartoffeln und Kichererbsen mit einem kleinen Stampfer zermahlen und als Mousse mit Brot gegessen. „Zwei mal glücklich“.

Zum Abschluss des Tages fuhren wir noch nach Tabriz hinein und machten einen langen Spaziergang durch den Park, auf den Hügel und am See entlang. Nach dem straffen Sightseeing-Programm, den vielen neuen Eindrücken, den intensiven und interessanten Gesprächen mit Milad, wären wir am liebsten sofort ins Bett, bzw. auf den Teppich gefallen. Die Einladung zu einem von Milads Freunden und der Familie konnten wir aber natürlich nicht ausschlagen und so saßen wir noch bis in die Nacht bei viel Essen und noch mehr Chai bei einer netten iranischen Familie auf dem Teppich.

Auch für den nächsten Tag hatte Milad ein enges Programm geschnürt. Eigentlich wären wir am liebsten einfach nur ein paar Stündchen über den Bazar geschlendert und hätten den Teppichverkäufern und anderen Händlern bei ihrer täglichen Arbeit zugesehen, aber Milad hatte noch viel mehr vorgesehen. So sahen wir auch noch den größten Teppich der Welt, einige schöne alte Häuser, Moscheen, tranken Tee, aßen Kebab, tranken Tee, und liefen bis zum späten Nachmittag durch die Stadt.

Hätten wir nicht am Ende gedrängelt und unhöflicherweise das Abendessen bei der Familie ausgeschlagen, hätten wir bestimmt unseren Bus verpasst. Völlig erschlagen von den Eindrücken und der enormen Gastfreundschaft, ließen wir uns in die breiten Ledersitze des ziemlich luxuriösen Nachtbusses fallen und fuhren nach Isfahan.

Isfahan

Nach so viel und intensivem Couchsurfing, brauchten wir in Isfahan ein bisschen Selbstbestimmung und buchten ein Zimmer im Hostel. Beim Frühstücksbuffet (eins der besten der gesamten Reise!!) sahen wir plötzlich zwei bekannte Gesichter. Camilla und Andi, mit denen wir in Armenien einige schöne Abende in unserer „Hostel-WG“ in Goris verbrachten, saßen zufällig auch beim Frühstück. Auf einer langen Reise ist es immer wieder schön, wenn man Personen wieder trifft und die Freude ist meistens besonders groß, wenn es der Zufall so will.

Wir hatten also eine richtig gute Zeit in Isfahan. Das Hostel war super, wir hatten sehr nette Gesellschaft und die Altstadt von Isfahan mit dem riesigen Platz, den Moscheen, dem Bazar ringsherum und den schönen Brücken über den Fluss ist einfach wunderschön.

Tobi wäre gerne noch länger geblieben, aber ich war gespannt auf die vielen anderen Orte, die es im Iran zu entdecken gibt.

Schiras

Schiras gilt als Stadt der Dichter und Denker und ist bekannt für seine schönen Gärten. Obwohl die Stadt viele schöne Orte zu bieten hat, haben wir nicht so ganz den Zugang zur Stadt bekommen. Hat man ja manchmal. Für Tobi war Schiras trotzdem ein Iran-Highlight, denn er konnte sich in der „pinken Moschee“ austoben, und die bunten Fenster, die in den Morgenstunden den gesamten Raum in buntes Licht tauchen, aus allen Winkeln fotografieren. Zumindest, wenn nicht grade eine große Reisegruppe Chinesen im Weg standen.

Abarkuh

Wahrscheinlich wären nicht auf die Idee gekommen, nach Abarkuh zu fahren, aber die Couchsurfing Einladung von Fateme und Sedegh war so nett, dass wir uns auf den Zwischenstopp zwischen Schiras und Yazd freuten. Das junge Ehepaar war genau wie wir, relativ neu auf Couchsurfing. Da die Beiden selbst, durch Familie, Jobs, schwacher Währung und Pass, nur sehr eingeschränkt reisen können, wollen sie in Zukunft durch Couchsurfing Touristen aus anderen Ländern kennen lernen und sich so die Ferne nach Hause holen. Die kleine Stadt Abarkuh hat touristisch nicht so viel zu bieten, so dass wir die Hauptattraktionen an einem Nachmittag gesehen hatten. Eine mehrere Hundert Jahre alte Zypresse und ein riesiger Eisturm, in dem früher auch während der Sommermonate Eis gelagert werden konnte.

Uns ging es bei unserem Besuch aber auch weniger ums Sightseeing, sondern um den kulturellen Austausch mit unserer Gastfamilie. Obwohl wir aus so unterschiedlichen Welten kommen, verstanden wir uns super und hatten in vielen Dingen ähnliche Ansichten und Überzeugungen. Natürlich lernten wir auch diesmal die gesamte entfernte Verwandtschaft kennen. Wir trafen den Vater im Garten, in dem die Familie Pistazienbäume, Granatäpfel und Safran anpflanzt.

Und abends fuhren wir zur Oma, und tranken mit Onkel Tante, Neffen, Nichten und Cousins und Cousinen viel schwarzen Tee. Die kurze Zeit in Abarkuh war wieder eine intensive und sehr interessante Couchsurfing Erfahrung voller iranischer Gastfreundschaft und wundervollen Begegnungen.

Yazd

Wenn man die Augen schließt und an ein Märchen aus Tausend und einer Nacht denkt, sieht man vor seinem inneren Auge wahrscheinlich die Altstadt von Yazd. Türkis und Gold schimmernde Kuppeln und Minaretten, die sich vor dem Sandfarbenen Mauern der Stadt abheben.

Kleine, verwinkelte Gassen, die sich durch die Stadt schlängeln, rundherum Wüste und die Sonne vor blauem Himmel. Unscheinbar hinter den Mauern verbergen sich große Innenhöfe, bunte Glasfenster, und bequeme Perserteppiche, die zum verweilen einladen.

Auch die Innenräume bleiben selbst im Hochsommer angenehm kühl, da in den alten Gebäuden kalte Luft durch Windtürme ins Innere geleitet wird.

Über zu viel Hitze konnten wir nicht unbedingt klagen. Im November wird es vor allem nachts sehr kalt und man freut sich eher über Heizung und Decke. Aber auch dafür hat der Iraner eine Lösung. Auch abends konnten wir auf der Dachterrasse draußen sitzen ohne zu frieren. Unter jedem Tisch stand ein kleines Kohleöfchen. Eine große Wolldecke über dem Tisch speicherte die Wärme und so blieben die Füße schön warm.

Am nächsten Morgen lasen wir in den Nachrichten, dass die iranische Regierung ab sofort die Benzinpreise drastisch erhöhen will. Anstatt bis jetzt 8 Cent pro Liter, sollen die ersten 60 Liter des Monats nun 12 Cent und alles darüber hinaus 24 Cent pro Liter kosten. Diese Nachricht brachte das Fass des Unmuts und der Unzufriedenheit mit der politischen Situation bei Vielen zum überlaufen und in den meisten großen Städten des Landes formierten sich Proteste. Auch in Yazd sahen  wir tagsüber eine Demo und hielten uns bewusst fern. Abends sahen wir zwar auch brennende Reifen, insgesamt schien die Lage aber in Yazd eher ruhig. Dann war das Internet weg. Die Regierung hatte im ganzen Land das Internet auf unbegrenzte Zeit abgeschaltet. Anscheinend wurde versucht die Formierung von weiteren Protesten zu unterbinden und zu verhindern, dass sich Informationen über das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten schnell verbreiten. In Zeitungen und Nachrichten wurde nicht über die Proteste berichtet und zum ersten mal erfuhren wir hautnah, wie es ist ohne freie Presse zu leben. Ohne Internet hatten wir keine Chance an Informationen zu gelangen und auch sonst wusste natürlich niemand irgendwas. Anstatt weiter zu reisen, entschieden wir uns daher erst einmal die Füße still zu halten und abzuwarten. Nach zwei Tagen ohne Internet und Informationen fuhren wir zurück nach Isfahan. Wir hatten die Hoffnung durch das gut vernetzte Hostelpersonal und andere Reisenden mehr über die Situation zu erfahren.

Isfahan

Ein Belgier der aus Schiras kam, berichtete von Straßensperren, brennenden Reifen und dubiosen Verkehrskontrollen. Viele andere Touristen waren nicht mehr da. Angeblich hatte die französische Botschaft zu einer schnellen Ausreise geraten. Neue Touristen würden in den kommenden Tagen oder Wochen wahrscheinlich auch nicht einreisen. Die Hostelbetreiber wirkten sichtlich besorgt um ihr Business. Da die Lage für uns immer noch undurchsichtig war, riefen wir bei der deutschen Botschaft in Teheran, um zu erfragen, wie und wo wir hinfahren können oder sollten, bzw. welche Orte wir am besten meiden sollten. Leider war telefonisch nur die Wirtschaftsabteilung zu erreichen. Der gab uns eine neue Nummer und den gut gemeinten Ratschlag uns doch auf der Internetseite der deutschen Botschaft zu informieren. War kein Scherz! Er meinte das wirklich ernst, bis ihm dann auch auffiel, dass das ohne Internet nicht so leicht werden könnte. Die neue Telefonhotline brachte uns auch nicht weiter, denn dort war man in einer Schleife von automatischen Bandansagen gefangen. Auf die Hilfe der deutschen Botschaft kann man, zumindest im Iran, nicht zählen.

Rascht

Wie die Lage in Teheran aussah, wussten wir natürlich immer noch nicht. Das Internet funktionierte weiterhin nicht. Mittlerweile waren aber wieder Webseiten erreichbar, die auf iranischen Servern liegen. Nachrichten bekam man dort natürlich nicht, aber man konnte sich wieder ein Taxi per App rufen oder Essen bestellen. Nicht das was wir brauchten, aber immerhin. Anstatt nach Teheran zu fahren, machten wir noch einen Abstecher nach Rascht in den Bergen nordwestlich von Teheran, in der Nähe des kaspischen Meeres. Durch die Nähe zum Meer und den Bergen, ist die Region rund um Rascht eine der regenreichsten und grünsten. Auf dem Markt in Rascht, einer der schönsten der ganzen Reise, wurden frischer Fisch, Fleisch, Gemüse und Eingelegtes verkauft. Alles friedlich, von Protesten keine Spur.

Von Rascht machten wir einen Tagesausflug in das kleine Dörfchen Masoleh. Es war Wochenende und uns wurde erklärt, dass es dann besonders gut sei, weil viele Leute da wären. Als wir ankamen verstanden wir so langsam warum. Man sah überall kleine Gruppen von Frauen und Männern, in schicken Outfits und weit nach hinten gezogenen Kopftüchern. Am Wochenende wird an solchen touristischen Orten gedatet! Wenn man sonst keine Möglichkeit hat, sich mit Jemanden auf ein Date zu treffen (selbst auf Hochzeiten müssen Männer und Frauen getrennt feiern!!), dann nutzt man so einen solchen Ausflug um aktiv die Augen offen zu halten.

Teheran

Teheran ist keine schöne Stadt. Das wurde uns immer wieder gesagt und wir können das bestätigen. Viel Verkehr und viel Smog. Wir hatten aber ein sehr nettes Hostel und eine Schischa Bar um die Ecke. Zwischen beidem pendelten wir die nächsten Tage hin und her und vertrieben und die Zeit mit Chai und Worms zocken. Natürlich nicht nur. Wir machten auch eine sehr coole Walking Tour mit einer sehr interessanten jungen Frau, die in Deutschland in Chemie promoviert hat, sich letztlich aber gegen die Karriere und für ein Leben in ihrer Heimat entschieden hat. Einen Abend trafen wir uns außerdem mit den Chouchsurfing Hosts von Camilla und Andi zum Abendessen. Ein sehr netter Abend unter reisefreudigen Mittdreißigern der gehobenen Iraner Mittelschicht.

Und nicht zu vergessen. Wir waren einen Tag Skifahren! Am nördlichen Stadtrand von Teheran steigt man in die Gondel und ist in kurzer Zeit auf über 4000 Metern. Zwar gab es nur 4 Lifte und einer davon war kaputt, aber immerhin. Ein gutes erstes Einfahren vor unserem Japan Skitrip.

Irgendwann kam dann auch das Internet zurück. Die Regierung hatte erreicht was sie wollte. Die Proteste waren beendet und erst jetzt kursierten Videos von Demonstranten auf die von Häuserdächern geschossen wird. Keiner kennt die genauen Zahlen, aber viele Hunderte Menschen wurden wohl verhaftet und über 80 Personen haben ihr Leben verloren. Es bleibt zu hoffen, dass die Menschen im Iran irgendwann eine Regierung haben, die sie verdient haben. Wir hatten eine so gute Zeit im Iran und das lag vor allem an den vielen unglaublich netten Menschen! Wir freuen uns auf ein Wiedersegen und sind gespannt auf unsere nächste Reise in den Iran!